In diesem Jahr knacken wir die 100.000 Euro
1. Juli 2021Online-Veranstaltung der Ernährungstherapie MVM mbH
1. September 2021Manfred Boldt ist seit 30 Jahren passionierter Marathon- und Ultraläufer. Das Laufen hat ihn in der schwersten Zeit seines Lebens gerettet.
Manfred Boldt, 72, gelernter Schriftsetzer aus Hesel (Niedersachsen) …
… erhielt 2006 die Diagnose Krebs. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der routinierte Ultraläufer in der Vorbereitung auf seinen ersten 48-Stunden-Lauf. Die Chemotherapie beendete Boldts Training für ein ganzes Jahr. Während dieser Zeit hielt ihn der Gedanke an seine Passion am Leben. In der Reha schaffte er den Wiedereinstieg und erlief sich nach und nach seine hervorragende Kondition zurück.
„Moin, moin“, begrüßt mich Manfred Boldt und schnackt mit einer ostfriesischen Brise in den Sätzen los. Er kommt gerade vom Laufen: „Donnerstag ist mein ganz langer Tag, da laufe ich früh los und meistens so um die 30 Kilometer.“ Derzeit trainiert er drei- bis viermal pro Woche, um die 100 Kilometer, im Schnitt 400 Kilometer im Monat. Und das mit
über 70! „Is’ aber eher wenig, verglichen mit früher“, sagt der zähe Ostfriese. Er habe stark reduziert. Früher habe es in
seinem Training nie Ruhetage gegeben, sagt er. Mit „früher“ meint Manfred Boldt die Zeit vor seiner Krebserkrankung…
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Alles begann während eines Marathons vor 15 Jahren in Wellen bei Cuxhaven. „Plötzlich spürte ich einen Knacks im Rücken, im unteren Bereich der Wirbelsäule“, erinnert sich Boldt. Er machte sich erst mal keine Gedanken und lief den
Marathon zu Ende. Doch die Schmerzen blieben und ein paar Tage später ging er zum Arzt. Nach etlichen Untersuchungen erhielt er die Diagnose: Knochenmarkkrebs, in der medizinischen Fachsprache auch Multiples Myelom genannt. Nun wusste er, warum er sich während des Marathons einen Bruch an der Wirbelsäule zugezogen hatte. Er begann sofort mit einer Chemotherapie. „Die komplette medizinische Behandlung dauerte zwölf Monate und war
letztlich erfolgreich. Doch für mich war es die dunkelste Zeit meines Lebens“, sagt er. Zwölf Monate ohne Training. Rückblickend beschreibt er dieses Jahr als „den härtesten 100-Kilometer-Lauf meines Lebens“. Doch die Besuche seiner Frau und Tochter spendeten ihm in dieser Zeit viel Kraft. Auch seine Erfahrung als Ultraläufer half ihm: „Als Langstreckenläufer war ich das Kämpfen gewohnt, mental und physisch.
Die Fähigkeit, mich unter widrigsten Bedingungen selbst zu motivieren, habe ich auf Ultrastrecken trainiert. Mein Körper und Geist sind robust und abgehärtet, was mir half, eine der härtesten Chemotherapien durchzustehen.“
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Im 13. Monat begann die Reha – und die Hoffnung, bald wieder laufen zu können, flammte in ihm auf. Mit Nordic Walking schaffte Boldt ganz sanft den Wiedereinstieg ins Lauftraining. „Im Rückblick muss ich wirklich sagen, dass ich während der gesamten Therapie die besten Ärzte um mich herum hatte. Einer war Triathlet, einer Läufer. Die haben mich immer unterstützt, was den Sport angeht. Heute ist einer davon mein Laufpartner.“ Glück hatte er auch mit seiner Wirbelsäule: Der Bruch wuchs von selbst zusammen. „Es ist mir nur eine kleine Wirbelverschiebung als Erinnerung geblieben. Ich bin jetzt halt ein paar Zentimeter kürzer.“ Beim Laufen spüre er heute aber gar nichts mehr, berichtet er zufrieden. 2008, zwei Jahre nach der Krebsdiagnose, stand er wieder an der Startlinie in Wellen. „Ich wollte wieder dort anfangen, wo ich aufgehört hatte.“ Diesmal hatte er sich für den 10-Kilometer-Lauf gemeldet. „Mit dem 48-Stunden- Lauf wird es wohl nichts mehr werden in diesem Leben“, sagt er ein bisschen traurig. Doch die Bilanz seines bisherigen Läuferlebens ist auch so beeindruckend genug: 1992 lief er seinen ersten Marathon in Steinfurt, ein Jahr später gleich den 100-Kilometer-Lauf in Winschoten (Niederlande) in knapp unter 13 Stunden. 1995 folgte sein erster 24-Stunden-Lauf in Apeldoorn (ebenfalls Niederlande). Zwei Monate nach dieser Herausforderung erreichte er seine persönliche Marathon-Bestzeit in 3:31:44. Er habe sich dabei leicht wie eine Feder gefühlt, sagt er.
Boldt bestritt bereits mehr als 70 Marathons, zwei 100-Kilometer-Läufe sowie zwei 24-Stunden-Läufe – bei einem davon erzielte er ein Ergebnis von rund 170 Kilometern. Bei diesem außergewöhnlichen Läuferleben ist es kaum zu glauben, dass Manfred Boldts Laufleidenschaft erst spät entflammte. „Ich kam als 40-Jähriger zum Laufen, weil mein Chef von der ,Ostfriesen- Zeitung‘, bei der ich damals arbeitete, mich damit ärgerte, ich sei zu dick zum Laufen. Dem zeig ich es, dachte ich mir. Ich war damals aber tatsächlich übergewichtig und unsportlich“, gesteht Boldt. Mit dem Einstieg ins Laufen stellten er
und seine Ehefrau Sabine außerdem ihre Ernährung auf vegetarisch um.
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Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren gibt Manfred Boldt sein umfangreiches Laufwissen ehrenamtlich an Mitläufer weiter: „Ich bin Begleitläufer beim Lauftreff der Lebenshilfe Delmenhorst und im Landkreis Oldenburg, wo ich für geistig behinderte Läufer zuständig bin. Das bereitet mir große Freude.“ Wenn Boldt seine Runden dreht, ist er vor allem an seiner ausgefallenen Laufkleidung zu erkennen. „Ich trage nur maßgeschneiderte Unikate“, sagt er stolz. Diese näht seine Frau mit viel Liebe für ihn. Am Ende unseres Gesprächs angelangt, frage ich ihn zum Abschluss, was er sich für die Zukunft wünsche. „Ich bin noch dabei, dafür bin ich dankbar und genieße jeden Lauf. Mein Traum ist es, mit 80 noch Marathons laufen zu können.“ Die Läufer seiner nächsten Altersklasse werden sich warm anziehen müssen.
Quelle: Runner`s World 8/2021
Text: Irina Strohecker
Foto: Yuri iwtschenko